Corona-Pandemie berechnen – Potsdamer Forscher entwickeln Modellierungsansatz für regionale Prognosen des Infektionsgeschehens

Wie lässt sich die Ausbreitung des Coronavirus darstellen und prognostizieren, wenn man, wie in ländlichen Regionen, nur über wenige Fallzahlen verfügt? Physiker, Kognitionswissenschaftler und Mathematiker des Sonderforschungsbereichs „Data Assimilation“ der Universität Potsdam haben darauf eine Antwort gefunden. Sie nutzen ein Modellierungsverfahren, dessen Besonderheit in der Kombination von Modell und Methode liegt. Es arbeitet mit nur wenigen Fallzahlen zuverlässig und eignet sich damit auch für Analysen und Vorhersagen auf regionaler Ebene. 

Ihre Ergebnisse haben die Forscher nun auf „medRxiv“ veröffentlicht. Außerdem ist das dynamische Modell für alle Bundesländer sowie fast alle Stadt- und Landkreise zugänglich unter: https://engbertlab.shinyapps.io/covid19-dashboard/ .

Im sogenannten SEIR-Modell wird die Bevölkerung in vier Gruppen (SEIR) eingeteilt, wobei die wichtigste Beobachtungsgröße die infizierten Individuen (I) sind. Alle, die infiziert werden können – bei COVID-19 die gesamte Bevölkerung –, bilden die Gruppe der Suszeptiblen (S). Ist die Krankheit überstanden, sind die entsprechenden Personen immun (R = Recovered). Eine nicht zu erfassende Gruppe bilden diejenigen Individuen, die infiziert wurden, sich aber noch in der Latenzzeit befinden (E = Exposed), sodass sie keine Symptome zeigen. Diese Gruppe macht die Vorhersage und Eindämmung der Epidemie so schwierig, da infizierte Personen bei COVID-19 bereits vor dem Auftreten von Symptomen selbst infektiös werden und weitere Personen infizieren können.

Das stochastische Modell der Potsdamer Forscher bildet alle vier Gruppen in ihrer Dynamik ab. Ein besonders wichtiger Modellparameter ist die Kontaktrate, die bestimmt, wie wahrscheinlich die Infektion eines suszeptiblen Individuums beim Zusammentreffen mit einer infektiösen Person ist. Mithilfe eines sogenannten „Ensemble Kalman-Filters“ – ein mathematischer Filter, der für Probleme mit einer großen Anzahl von Variablen geeignet ist – lässt sich das Modell an die Zeitreihe der beobachteten Fallzahlen dynamisch anpassen. Wie sich zeigte, lässt sich das Modell deshalb auch bei relativ kleinen Datensätzen – etwa einzelner Land- oder Stadtkreise – verwenden.

Ausführliche Informationen zum Modell erhalten Sie hier.