Elisabeth André: Analytische und generative KI als vielversprechende Chance für bessere Kommunikation
© Felipe Mairowski
Professor Elisabeth André von der Universität Augsburg hielt die Keynote Speech im Rahmen der Eröffnung des 11. Deutsch-Brasilianischen Dialog über Wissenschaft, Forschung und Innovation zum Thema künstliche Intelligenz (KI), der Anfang Mai in São Paulo stattfand. In ihrem Vortrag ging sie darauf ein, wie diese Technologie zur Verbesserung menschlicher und sozialer Interaktion in Bereichen wie Gebärdensprache, expressive Sprache und soziale Simulationen beitragen kann. Für die Wissenschaftlerin zeigt sich hier ein großes Potenzial:
„Die fortschreitende Entwicklung in der analytischen und generativen KI bietet vielversprechende Möglichkeiten für eine optimierte Kommunikation durch eine erhöhte Ausdrucksfähigkeit der Individuen“, so André.
Im ersten Teil präsentierte sie ein laufendes Projekt zur bidirektionalen und barrierefreien Kommunikation zwischen Gebärenden und Hörenden. Dies geschieht mittels einer KI-basierten Gebärdensprache und eines Systems zu deren Erkennung und soll die beidseitige Kommunikation ermöglichen, indem das System die Gebärdensprache in gesprochene deutsche Sprache übersetzt und umgekehrt.
Der Gesichtsausdruck ist ein wesentliches Element der Kommunikation zwischen Hörgeschädigten und zur Visualisierung wurde daher von den Entwicklern ein Avatar geschaffen. Dieser wird durch Daten von Simultanverdolmetschungen aus Fernsehsendungen gespeist und so trainiert, dass er mit den Nutzern kommunizieren kann.
Menschlicher Ausdruck
Im zweiten Teil der Präsentation stellte Professor André die Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz zur Erweiterung des menschlichen Ausdrucks vor. Als Beispiel diente ein Projekt, dass es Nutzern erlaubt, die Stimme eines Roboters auf die als ideal empfundene Tonlage anzupassen.
„Wenn man einen Menschen sieht, hat man eine Vorstellung davon, wie dessen Stimme klingt. Abhängig ist dies beispielsweise vom Körperbau, wie stark jemand ist. Und deshalb werden bestimmte stimmliche Merkmale mit einem entsprechenden Erscheinungsbild in Verbindung gebracht. Und genau das haben wir auf die Roboter angewendet. Die Teilnehmenden [der Studie] entschieden sich durchweg für bestimmte stimmliche Prototypen, die in irgendeiner Form an den Abbildungen der Roboter ausgerichtet waren. Es gibt also offensichtlich eine bedeutsame Relation zwischen visueller und auditiver Wahrnehmung“, erklärte sie.
Gleichzeitig stellte André auch die ethischen Implikationen dieser Anpassungen heraus und was getan wurde, um das Problem anzugehen. „Unsere Teilnehmenden stuften die für die weiblichen Roboter ausgesuchten Stimmen als ‚unterhaltsam‘ und ‚freundlich‘ ein, denn sie sollen naiv, freundlich und jung klingen. Die Stimmen der männlichen Roboter waren im Wesentlichen monoton und langweilig. Und daraufhin haben wir uns entschieden, das Experiment abzuändern: Alle mussten einen Kurs zu Geschlechtervorurteilen durchlaufen. Trotzdem wiederholten sich diese stimmlichen Stereotype weiterhin“, so die Forscherin.
Simulationen
Als weiteres Beispiel für eine praktische Anwendung von künstlicher Intelligenz präsentierte André ein Projekt für soziale Simulationen (role-playing), das beispielsweise für Vorstellungsgespräche genutzt werden kann. Für die Forschungsarbeit wurden junge Menschen ausgewählt, die im Rahmen eines simulierten Gesprächs mit einer virtuellen Person interagieren sollten. Ihr Verhalten wurde dabei aufgezeichnet und analysiert. Im Anschluss wurden die Ergebnisse mit einem „menschlichen Ansatz“ diskutiert.
„Anfangs waren sie skeptisch und spöttisch gegenüber den virtuellen Personen. Nachdem sie sich aber ein wenig auf diese Erfahrung eingelassen hatten, waren sie in vergleichbaren Situationen weniger nervös. Interessanterweise gaben sie uns die Rückmeldung, dass das Feedback der Maschine viel glaubwürdiger war als das menschliche“, erläuterte sie. „Man kann den Leuten nicht einfach sagen, dass sie schlecht waren und niemals eine Arbeit finden werden. Man muss ihnen auch sagen, was sie tun können – wir arbeiten deshalb verstärkt mit kontrafaktischen Erklärungen.“
Ein weiteres Projekt in diesem Bereich ist eine Initiative zur Bekämpfung von Mobbing an Schulen, die kürzlich weiterfinanziert wurde. „Unser Ziel ist es, Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren eine spielerische und App-basierte Trainingsplattform mit virtuellen Sparringspartnern anzubieten. Dabei setzen wir generative KI zur Verbesserung von sozialen Kompetenzen und Motivation ein. Es kann zum Beispiel ein Streit sein, in dem ein Junge ein Mädchen beleidigt. Das Mädchen hat jedoch die Möglichkeit, in einer sicheren Umgebung den Umgang mit solchen Situationen zu trainieren. Außerdem haben die Kinder einen virtuellen Trainer zur Verfügung, der ihnen in so einer Lage hilft“, führte sie aus.
Deutsch-Brasilianischer Dialog
Der 11. Deutsch-Brasilianische Dialog wurde vom Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH) São Paulo und der Forschungsförderagentur des Bundesstaates São Paulo (FAPESP) durchgeführt. Im Rahmen der Veranstaltung diskutierten deutsche und brasilianische Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie das diesjährige Thema „Artificial Intelligence: Promises, Expectations, and Limitations in Science and Society“.
Insgesamt wurden vier Themenblöcke behandelt: KI in der Medizin und im Gesundheitswesen, künstliche Intelligenz in den exakten und Ingenieurwissenschaften, Regulierung der Auswirkungen von KI und ihr Einsatz in den Geisteswissenschaften. Ziel war es, die Folgen dieser Technologie sowie Möglichkeiten zur Abmilderung der negativen Auswirkungen des Einsatzes von KI interdisziplinär zu erörtern.
Text: Rafael Targino